Die Soja ist wohl eine der umstrittensten Nutzpflanzen überhaupt. Flächenverbrauch, Klimabelastung, Pestizide oder Gentechnik – all das wird mit der Soja in Verbindung gebracht. Aber wie schafft es die unscheinbare Bohne auf Platz vier der meist angebauten Kulturen weltweit? So viele Vegetarier, die Soja als alternative Eiweißquelle nutzen, gibt es doch gar nicht.
Diese und weitere Fragen wurden auf dem Ackertalk: Was interessiert mich die Bohne? am 05.10.2017 erörtert. Leider wurde für diesen Tag eine Unwetterwarnung für die Region Berlin-Brandenburg ausgesprochen, sodass die IGA, auf der sich unser Weltacker in diesem Jahr befindet, geschlossen blieb. Glücklicherweise hatten wir die Möglichkeit bei uns im Haus einen Alternativraum zu nutzen, sodass die Veranstaltung in der Innenstadt stattfinden konnte.
Als Gäste geladen waren:
Harald Ebner
Er ist Abgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag, für die er in der vergangenen Legislaturperiode als Sprecher für Gentechnik- und Bioökonomiepolitik agierte. Als studierter Agraringenieur und Experte für landwirtschaftliche Themen konnte er über den Anbau und Export von Soja aus den lateinamerikanischen Ländern wie Argentinien und Brasilien berichten, somit einen Überblick über die globale Lage von Leguminosen geben, sowie über die europäische Agrarpolitik hinsichtlich von Eiweißpflanzen berichten.
Katrin Lehmann
Sie ist für die Marktgesellschaft der Naturland Bauern AG im Bereich Saatgutvertrieb und Getreideeinkauf tätig. In ihren Arbeitsbereich fällt unter anderem die Betreuung eines Soja-und Lupinenprojekts, so wusste sie über den regionalen Anbau und Vertrieb von Leguminosen zu berichten.
Cecilia Antoni
Sie ist freie Autorin und Bloggerin. Auf beanbeat.de dreht sich alles um die Hülsenfrucht, hier findet man Rezepte und Informationen rund um die Eiweißbomben. Des Weiteren hat sie im vergangenen Jahr auf dem Weltacker die Soja für das Soja-Experiment 1000 Gärten von Taifun betreut. Sie brachte im Gespräch vor allem die Rolle von Eiweißpflanzen in der Humanernährung und somit die tagtägliche Seite der Soja zum Vorschein.
Außerdem war sie verantwortlich für die Verköstigung am Abend. Alle Rezepte der Sojagerichte stammten von ihr.
Herr Prof. Dieter Trautz
Er ist Professor für Agrarökologie und umweltschonende Landbewirtschaftung an der Hochschule Osnabrück. Dort betreut er ein Sojaprojekt und wollte über die Zucht von regionaler Soja berichten. Leider war auch Herr Trautz von dem Unwetter in Norddeutschland betroffen, sein Zug fuhr nur bis Hannover, sodass er nicht an der Veranstaltung teilnehmen konnte. Wir danken ihm dennoch für sein Engagement.
Soja – Fluch oder Segen?
Für Umweltschützer ist sie der Grund großflächiger Regenwaldabholzung, Vegetarier schätzen sie als Eiweißlieferant. Europäer essen die Soja allerdings selten direkt, am ehesten noch in Form von Tofu beim Asiaten. Dennoch nimmt die Soja-Pflanze ca. 8% der weltweiten Ackerflächen in Anspruch und liegt somit auf Platz vier der am meisten angebauten Nutzpflanzen. Dies liegt nicht an einem steigenden Einsatz als Fleischersatz, sondern an ihrer großen Beliebtheit als Futtermittel für Nutztiere. Wegen ihres hohen Eiweißgehaltes ist sie in der Landwirtschaft als Kraftfutter von existenzieller Bedeutung.
Leguminosen – Nitratdüngung ganz natürlich
Tatsächlich hat die Hülsenfrucht viele positive Eigenschaften. Sie gehört zur Familie der Leguminosen, bzw. Hülsenfrüchtler. Diese Pflanzengruppe besitzt eine besondere Eigenschaft: An ihren Wurzeln gehen Sie mit stickstofffixierenden Bakterien (Rhizobien), sogenannten Knöllchenbakterien eine Symbiose ein. So haben sie die Fähigkeit den Luftstickstoff zu binden und sind auch in stickstoffarmen Böden lebensfähig. Sie tragen einen entscheidenden Beitrag zur Bodenfruchtbarkeit bei und eignen sich hervorragend zum Anbau als Zwischenfrucht in der Fruchtfolge.
Stickstoff ist ein wesentlicher Nährstoff für das Pflanzenwachstum, in der Landwirtschaft wird er in der Regel durch Düngung zugeführt. In Deutschland herrscht ein Problem der Überdüngung, die übersättigten Böden geben Nitrat ins Grundwasser ab. Dort ist die Belastung so hoch, dass die EU 2016 Klage gegen Deutschland eingereicht hat. Die hohen Nitratwerte haben neben gesundheitlichen auch direkte Auswirkungen auf den Endverbraucher, da die Filterung des Grundwassers langfristig zu höheren Preisen führen wird. Leguminosen wie beispielsweise die Soja können dieses Problem verringern: in die Fruchtfolge eingebunden sorgen sie für eine natürliche Düngung des Bodens, es können also große Mengen künstlichen Düngers eingespart und die Nitratbelastung verringert werden. Dieser wird in aufwendiger Herstellung mittels des Haber-Bosch-Verfahrens hergestellt. Eine natürliche Düngung mit Leguminosen kann also auch mit erheblichen Energieeinsparungen einhergehen.
Wie gesund ist Soja?
Auch ernährungsphysiologisch kann die Soja-Bohne einiges vorzeigen. Sie gehört mit den anderen Hülsenfrüchten zu den besten pflanzlichen Eiweißquellen mit 40g Eiweiß pro 100g. Gegenüber tierischen Eiweißquellen hat sie einen großen Vorteil, denn sie enthält deutlich weniger Fett und insbesondere der Anteil gesättigter Fettsäuren, die – in großen Mengen aufgenommen – zu gesundheitlichen Problemen führen können, ist geringer.
Zudem enthält Soja Ballaststoffe sowie Vitamine – etwa Vitamin E und B-Vitamine -, Kalzium, Magnesium, Eisen und Folsäure und wichtige Aminosäuren.
An einem Stoff scheiden sich die Geister: Isoflavone sind sekundäre Pflanzenstoffe und wirken ähnlich wie das Geschlechtshormon Östrogen. In Soja sind die beiden Isoflavone Genistein und Daidzein enthalten. Ihnen wurden positive Effekte auf die Herzgesundheit oder Wechseljahrbeschwerden nachgesagt, was Studien nur sehr begrenzt bestätigen können. Auch dem Gerücht, Soja würde gegen Krebs schützen, muss eine Absage erteilt werden. Gichtpatienten müssen besondere Vorsicht walten lassen, und auch eine geringe Gefahr allergischer Reaktion ist geben. Die Sojabohne ist ein solides Lebensmittel, das keine Wunder bringt, in Maßen verzehrt allerdings die vielen positiven Eigenschaften der Hülsenfrüchte zum Vorschein bringt.
Klimakiller Soja?
Bei aller Vorteile ist die Soja ein zweischneidiges Schwert. Bilder aus Brasilien, auf denen der Regenwald brennt, sind weit bekannt. Auf diesen so gerodeten Flächen wird dann intensiv Monokultur betrieben, die den Boden nach und nach unfruchtbar macht. Brasilien ist für ein Viertel der weltweiten Sojaproduktion verantwortlich und produzierte 2013/14 auf einer Fläche von 30 Mio. Hektar. Insgesamt wird die Bohne weltweit auf 113 Millionen Hektar Land angebaut. Doch tatsächlich sind die weniger bekannten Trockenbuschwälder momentan noch stärker von der Abholzung betroffen, wie Harald Ebner berichtete. Trockenbuschwälder zeichnen sich durch eine große Biodiversität aus, die zweitgrößte in allen Biotopen nach dem Regenwald. Durch den Raubbau an diesen beiden Lebensräumen verschwinden viele Arten und die Biodiversität leidet, ebenso wie die Menschen vor Ort. Naturvölker, die in Trockenbuschwald und Regenwald leben, verlieren ihr zu Hause und landen dann in den Slums der Großstädte, wo sie dann zu den Ärmsten der Armen gehören.
Der Anbau von Monokulturen geht oft mit der Benutzung von Pestiziden und Herbiziden einher. Diese werden flächendeckend über große Landstriche verteilt, und töten vor allem bei gentechnisch veränderten Pflanzen alles außer der Soja ab. Das berüchtigte Roundup-Ready von Monsanto ist hier das bekannteste Beispiel. Auch hier leidet der Mensch: Die Schädlingsbekämpfungsmittel können erhebliche gesundheitliche Nachwirkungen mit sich führen.
Die Umwelt wird weiterhin durch den Transport der Soja belastet, der durch den globalen Markt erforderlich ist. Besonders die EU importiert den Großteil des Sojas aus dem Ausland, was erhebliche Transportkilometer mit sich bringt.
Tierfutter oder Menschennahrung?
Am Zielort angekommen wird Soja meist verfüttert. 98% des weltweiten Sojaanbaus kommt in den Trog, Nutztiere sind allerdings Klimasünder: Sie produzieren viel Gülle, die oft inadäquat entsorgt, bzw. zur Düngung benutzt wird, was zur Überdüngung beiträgt. Durch die Verfütterung an Tiere gehen darüber hinaus viele Kalorien verloren: Die Umwandlungsrate von pflanzlichen in tierische Kalorien schwankt im Idealfall zwischen 2:1 bei Geflügel, 3:1 bei Schweinen, Zuchtfischen, Milch und Eiern und 7:1 bei Rindern.
Genmanipulierte Soja hat neben der Pestizidproblematik eine informationelle Schattenseite, denn aktuell muss nämlich in Europa noch nicht gekennzeichnet werden, ob es sich beim eingesetzten Futtermittel um genetisch veränderte Pflanzen handelt. Die Verbraucher werden so im Unklaren gelassen und die Nachfrage nach gentechnikfreier Soja gehemmt.
Wo steht Deutschland bei alledem?
In Deutschland ist der Anbau von Soja ins Hintertreffen geraten. Durch die gegenwärtige EU-Agrarpolitik sind Importe von Soja sehr billig, was den regionalen Anbau von Soja wenig wirtschaftlich macht. Problematisch ist vor allem, dass über lange Zeit nicht in die Zucht von für das in Deutschland herrschende Klima geeignete Soja-Sorten investiert wurde. In den letzten Jahren gibt es wieder vermehrt Initiativen wie auch das 1000 Gärten Projekt von Taifun, von dem Cecilia Antoni berichten konnte, die sich der regionalen Zucht widmen. Auch ein von Katrin Lehmann betreutes Projekt widmet sich dem regionalen Anbau von Soja und Speiselupine. Bisher ist der Markt für europäisches Speisesoja noch sehr klein, nur wenige Bauern sehen den wirtschaftlichen Nutzen. Die bereits bestehenden Karten von Regionen in Deutschland, in denen der Sojaanbau günstig ist, müssen noch ausgebaut werden, denn ein Ziel für die Zukunft wird es sein, durch Züchtungen eine Anpassung der Soja an das regionale Klima zu erreichen, sodass die potentiellen Anbauflächen in Deutschland ausgeweitet werden können. Auch eine politische Förderung wird hierfür notwendig sein.
Insgesamt müssen das Image und die Wahrnehmung der Soja und der Hülsenfrüchte im Allgemeinen aufgebessert werden. Das Wissen über die Sojabohne und ihre Familie, insbesondere aber über die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten ist noch zu klein. Steigt das Interesse, so steigt zum einen der Anreiz beim Markt vermehrt Eiweißpflanzen anzubieten zum anderen der Anreiz, Gelder in Initiativen zur Förderung und Zucht zu investieren.
Essentieller dabei ist, Hülsenfrüchte als alternative Proteinquelle zum Fleisch bekannter zu machen und zu einem Bestandteil der Küche hierzulande werden zu lassen. Immerhin etwas: die Schwäbische Alb Linse hat bereits ihr Comeback, hoffentlich folgen bald die anderen Hülsenfrüchte.
An Inspiration soll es auf jeden Fall nicht scheitern. Dafür sorgen Blogger wie beispielsweise Cecilia Antoni. Sogar Eis, Kuchen und Pommes stellt sie aus den Leguminosen her und zeigt auf beanbeat.de allen anderen, wie das geht.