Auf einer Italienreise hatte er bei Slow Food mit ökologisch arbeitenden Bäuerinnen und Bauern aus der ganzen Welt diskutiert. Danach traf Hungming He eine radikale Entscheidung: Statt des überall verbreiteten Hybridreises wollte er in seinem Dorf Hei’er in der südchinesischen Provinz Yunnan die in Vergessenheit geratenen Klebreissorten der Ahnen wieder kultivieren.
Für Angehörige der ethnischen Gruppe der Zhuang im Süden Chinas spielen einige besondere Sorten Klebreis seit Jahrhunderten eine große Rolle. Einer Legende nach gab ihnen Buluotuo, der Erschaffer des Universums, den Klebreis, damit sie so stark und standhaft wie der Reis sein mögen. Anfang dieses Jahrtausends war die Vielfalt der alten Klebreissorten jedoch durch Monokulturen von ertragreicheren Hybridsorten fast gänzlich verdrängt worden. Der jahrelange Anbau der neuen Sorten forderte bereits seinen Tribut. Immer mehr Düngemittel mussten ausgebracht werden, die Böden und das Wasser waren von Pestiziden verseucht. Zudem zahlten große Unternehmen den Kleinbäuerinnen und Kleinbauern schlechte Preise für ihre Ernten.
Mithilfe der lokalen Nichtregierungsorganisation PEAC fand Hungming He einige alte Klebreissamen. Es dauerte drei Jahre, um die belasteten Böden zu entgiften und wieder fruchtbar zu machen. Die vor 450 Jahren von den Ahnen gezüchteten Sorten vertragen keinen Einsatz von Pestiziden und chemischen Düngemitteln. Außerdem fallen die Erträge deutlich kleiner aus als die der Hybridsorten. Als Hungming He 2009 mit dem Anbau der alten Sorten begann, hielt ihn die Dorfgemeinschaft für verrückt. Nur er selbst und seine engsten Familienmitglieder bauten zunächst die besonderen Reissorten an.
Klebreis ist jedoch wichtiger Bestandteil der traditionellen Gerichte der Zhuang. Bei Feierlichkeiten wie dem Kuhseelenfest oder dem Opferfest zu Ehren des Drachenkönigs gibt es daraus hergestellte Dumplings und gefüllte Reiskuchen. Die erste Ernte fand daher sehr schnell erfreute Abnehmer*innen. Bald erfuhren auch die Menschen in der Stadt vom ökologisch produzierten Klebreis, der sonst fast nirgendwo mehr zu bekommen war.
Aufgrund der hohen Nachfrage konnten Hungming He und seine Mitstreiter*innen ihre Ernten zum doppelten Preis der Hybridreisernte verkaufen. Nun waren auch die anderen im Dorf überzeugt und wollten die alten Klebreissorten anbauen. Hungming He erinnerte sich daran, worüber sie damals in Italien diskutiert hatten: Kooperativen – Bäuerinnen und Bauern, die sich zusammenschließen und die landwirtschaftliche Verantwortung gemeinsam tragen. Zusammen mit 270 Dörfern rund um Hei’er organisierte Hungming He im Jahr 2012 die erste Klebreis-Kooperative auf insgesamt 243.000 m².
Der ökologisch produzierte Klebreis aus Hei’er ist mittlerweile in der gesamten Provinz Yunnan bekannt und als regionales Lebensmittel mit dem „Local Food Certificate“ rechtlich geschützt. Hungming He vermittelt nun seine Erfahrungen in regelmäßigen Workshops an Bäuerinnen und Bauern weiter.