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Ein Bauer zeigt wie’s geht

Meine Ankunft verfolgt Markus Bogner im Internet, wie er mir per SMS mitteilt: Der Zug aus München hat Verspätung, aber wir treffen uns pünktlich am Bahnhof Gmund am Tegernsee. Sein Buch hatte mich beeindruckt „Selbst denken, selbst machen, selbst versorgen – Ein Bauer zeigt wie’s geht“ heißt es.

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Ein Schwein in der Sonne auf dem Hof Bogner

Darin beschreibt der „Bauer aus Leidenschaft“ wie seine Frau Maria und er zur Landwirtschaft kamen, davon auf der Alm geträumt hatten, als er noch Sanitätsfahrer war. Und wie sie diesen Traum dann Schritt für Schritt in die Tat umsetzten, erst einen Milchviehbetrieb verwalteten und eine Molkereigenossenschaft ins Leben riefen und dann 2009 mit ihren drei Kindern auf den Boarhof über dem Tegernsee kamen, um hier das gute Leben zu verwirklichen.

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Und hier weitere Mitglieder des Hofes

Ihre 10 Hektar Land, 8 Hektar davon Weiden, versorgen natürlich nicht nur die Bogners selbst; sondern erfreuen mit ihren Produkten und ihrem Bilderbuch-Charme eine überschaubare und treue Gemeinde von Kund*innen. Entgegen der Schulbuchweisheit moderner Landwirtschaft, die die heutige Rentabilitätsgrenze eines Hofes gerne bei 50 Hektar veranschlagt, ernährt und versorgt der Boarshof seine Betreiber*innen ausgezeichnet.

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Die Bogners haben auch Hühner

Das liegt vor allem daran, dass die Bogners alles was sie produzieren und nicht selbst verzehren, möglichst selbst verkaufen. Ganz besonders ihr weit über die Grenzen der Gemeinde Gmund berühmtes Holzofenbrot, das es allerdings nur einmal in der Woche gibt. Der Hofladen hat nicht stets und ständig offen, sondern zu überschaubaren Zeiten. „Genug“ ist für die Bogners ein Prinzip, das sich durch alle Lebensbereiche zieht und gerade deshalb überzeugt.

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Hier kommt kein Küken in den Schredder

Mir hatte es das Buch besonders angetan, weil Bogner darin unsere ganze Geschichte der 2000m² aus der Sicht eines Bauern erzählt, der sich die Fakten und auch die Botschaften des Weltagrarberichtes aufmerksam zu Gemüte geführt hat und nun aus der Perspektive seines Ackers und seiner Weiden vermittelt. Tatsächlich hat er im Zentrum seines Anwesens eine Fläche von 2000m² abgesteckt: 500 m² bilden einen Kräuter- und Gemüsegarten-Kreis und direkt daneben werden auf weiteren 1500 m² eine Vielzahl weiterer Erdfrüchte, Bohnen, Erbsen und andere Gemüse angebaut. Dass von dem was da wächst weit mehr als eine Person satt werden könnte, ist selbst im Herbst noch leicht zu erkennen. Jetzt dominieren die diversen Kohlsorten, aber auch Bohne sind noch da, Lauch und Salat.

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Saatgutgewinnung für das kommende Jahr

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Bohnen aus eigener Ernte

Heute kommt Ludwig auf die 1500 m² zurück, der Eber des Hofes, der von einer kleinen Liebestour im Nachbardorf zurück gebracht wird. Echte Eber mit echten Eiern sind selten geworden in einer Schweinewirtschaft, die im Wesentlichen auf künstlicher Besamung mit Hochleistungs-Sperma aus dem Katalog beruht. Ludwig dagegen ist eine Mischung aus Duroc und Turopoljeschwein. Mir ist als müsse auch ein bisschen Bentheimer dabei sein. Die Namen seiner Gemahlinnen habe ich leider zu erfragen versäumt, obwohl ihr braunes Fell tief golden, fast wie in einem Märchen in der Herbstsonne glänzte. Gemeinsam verfolgen sie das Programm der Bogners, die sich zum züchterischen wie landbaulichen Ziel gesetzt haben, einen möglichst hohen Anteil des Futters für ihre Schweine, genauso wie für ihre Kühe (da sind es 100 Prozent)  von der Weide und nicht vom Acker zu gewinnen. Dafür sind die aus Kroatien stammenden Turopolje-Schweine, die zudem widerstandsfähig gegen Schweineparasiten sind, bestens geeignet. Ihr Job ist es auch, die Ackerflächen systematisch zu durchwühlen und damit für die nächste Aussaat umzugraben und zu düngen. Ganz ohne Getreide und Kartoffeln geht es freilich bei den Schweinen noch nicht.

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Eber Ludwig am Trog

Dieses Jahr hat Markus Bogner zum ersten Mal seit Jahrzehnten in seinem Milchvieh-Kreis wieder Weizen und auch Emmer auf dem Boarhof angepflanzt. Dabei musste er in diesem nassen Jahr auch Lehrgeld zahlen und einen Teil der Kulturen aufgeben. Die überließ er direkt den Schweinen, die sie mit Gusto und Sorgfalt vertilgten und dabei den Boden noch aufs Vortrefflichste für das nächste Jahr bereiteten, in dem der trotzige Getreideanbau in einer der regenreichsten Regionen Deutschlands mit Sicherheit weitere Fortschritte machen wird. Was die Bogners sich einmal in den Kopf gesetzt haben, geben sie so schnell nicht auf.

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Wühlmausorgel in Betrieb

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Die Wühlmausorgel im Detail

Ähnliche Ziele verfolgen sie mit ihren Hühnern und Hähnchen, die von ihrem mobilen Stall aus ebenfalls buchstäblich auf der Wiese weiden und außerdem nach Würmern suchen. Vor allem die Spitzen der Gräser, erklärt er mir, sind ausgesprochen eiweißhaltig und als Hühnerfutter gut geeignet. Ein ungewohnter Anblick bei der Mischung aus österreichischen Sulmtaler und deutschen Sperber Hühnern und Hähnen ist die gleichmäßige Geschlechterverteilung: Genauso viele Hähne mit roten Kämmen wie Hennen tummeln sich auf der Wiese. Sowohl die Fleisch- als auch die Eierleistung seiner Brut muss stimmen. Beim heute üblichen Hybridgeflügel völlig undenkbar: Entweder werden die weiblichen oder die männlichen Kücken gleich nach der Geburt aussortiert und geschreddert, weil die Rasse nur auf e i n e maximale Leistung hin gezüchtet ist: Eier oder Fleisch. Auf dem Boarhof wird geduldig und mit köstlichem Erfolg an einem Mittelweg gearbeitet.

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Hier noch einmal die Schweine…

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Und Teich, Berge und Sonnenschein

Dass hier Tiere (auch die Enten und Gänse an dem selbst angelegten Weiher) und Gemüse selbst gezüchtet und selektiert werden, ist für einen Bauernhof in Deutschland eine seltene Ausnahme. Bei den allermeisten, auch biologischen Betrieben kommen die Samen von weit her vom Spezialisten und sind zu einem immer höheren Anteil Hybride, aus denen gar keine anständigen Nachkommen mehr entstehen können.

Bei Bogners schlüpfen die Hühner direkt neben den zum Trocknen aufgehängten Samenpflanzen von Radieschen, Wirsing, Lauch, Kräutern und allerlei Salaten. „Unser Allerheiligstes“ sagt Bogner verschmitzt, weil hier die künftigen Generationen entstehen.

Genug erzählt für heute. Dabei haben wir viel ausgelassen: Die Geflüchteten, die bei ihm arbeiten und lernen, die Einbindung der Kund*innen, die Permakultur, die Wühlmaus-Orgel, die Kompostexperimente… Wir hoffen, dass wir aus dem ersten 2000 m² Buch eines leidenschaftlichen Bauern und Bayer, bald einige Kostproben auf dieser Seite präsentieren dürfen und sind fest entschlossen, die Bogners für einen Ausflug auf den Weltacker nach Berlin zu locken. Allen, die so lange nicht warten möchten, empfehlen wir wärmstens eine Buchbestellung direkt beim Oekom Verlag in München und in jedem gut sortieren Buchladen:

Selbst denken, selbst machen, selbst versorgen, Ein Bauer zeigt, wie’s geht

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