Was Erbsen hören und wofür Kühe um die Wette laufen – so lautet der Titel des neuesten Buches von Florianne Koechlin und Denise Battaglia. Am Montagabend las Frau Koechlin in der GLS Bank Berlin aus ihrem Werk.
Florianne Koechlin ist eine langjährige Atom- und Gentechnik-Aktivistin, studierte Biologin und Chemikerin, Autorin und Malerin. Zusammen mit Denise Battaglia geht sie nun den inspirierenden Beziehungsnetzen und Geflechten auf allen Ebenen der Natur nach: Zwischen Pflanzen, Mikroorganismen, Pilzen, Tieren und auch Menschen.
So erzählte Koechlin bei der Lesung von der bis jetzt nur wenig erforschten Kommunikation von Pflanzen mit sich und der Umwelt. So berichtete sie beispielsweise von den Forschungsergebnissen einer australischen Botanikerin, die den Titel des vorgestellten Buches inspirierten. Die Botanikerin pflanzte Erbsen in umgekehrt V-förmige Rohre (siehe Skizze). Beide Rohrenden waren mit staubtrockener Erde gefüllt, nur wurde um die rechte Seite außen ein Schlauch mit laufendem Wasser gewickelt. Das Ergebnis war bahnbrechend: Obwohl die Erbsenwurzeln kein Wasser erreichten, wuchsen sie doch immer weiter in die rechte Rohrseite hinein, dem Geräusch des Wasserrauschens nach. Dies könnten Pflanzen, da auch sie über „Sinne“ verfügen, mit denen sie ihre Umwelt wahrnehmen und sich mit ihr austauschen würden. „Pflanzen warnen sich gegenseitig mit Duftstoffen, sie senden SOS-Signale, sie locken Nützlinge an, sie koodinieren ihr Verhalten“, so Koechlin.
Dies geschehe vor allem unterirdisch: Unter einem Wald entsteht ein dichtes Geflecht aus Wurzeln und Pilzfäden. Diese gehen eine Symbiose ein, so genannte Mykorrhizen. Dieses Netz ist lebenswichtig für Bäume: Eine Buche beispielsweise ist durchschnittlich mit 30 bis 50 Pilzen vernetzt, denen sie bis zu 40% ihrer wertvollen Zuckerverbindungen abgibt, die der Baum durch Photosynthese selbst herstellt. Im Gegenzug schenken die Pilze den Wurzeln essentielle Nährstoffe wie Stickstoff. Gäbe es dieses Netz, dieses „Wood Wide Web“ nicht, würden Buchen laut Koechlin nicht höher als einen halben Meter wachsen können. Beziehungen mit regem Austausch sind also auch für Pflanzen überlebensnotwendig.
Leider passen solche Erkenntnisse nicht in das vor allem im Westen vertretene Bild der Natur, in dem die Umwelt allgemein als Dienstleister für die Zwecke der Menschen fungiert. Durch diese anthropozentrische Vorstellung verschließen wir uns vor dem den Pflanzen und Tieren ureigenen Wissen, wovon wir eigentlich Wertvolles lernen könnten.
So wissen Kühe, die das Glück haben, auf einer Alm stehen zu dürfen, instinktiv, welche Kräuter ihnen guttun und fressen diese gezielt. Eine Kuh mit Darmparasiten suche beispielsweise absichtlich Pflanzen mit hohem Saponingehalt auf, so Koechlin. Dieses innere „Apothekerwissen“ einer einfachen Weidekuh steht in einem harten Kontrast zu der Realität der modernen Tierindustrie. „Was tun wir den Kühen an, wenn wir sie morgens, mittags, abends über Jahre mit dem gleichen Kraftfutter füttern, ohne jede Auswahl?“ fragt sich die Autorin voller Mitleid. „Kühe sind nicht einfach nur Milchmaschinen, vorne Kraftfutter rein, hinten Milch raus. Kühe sind wählerisch, haben Beziehungen, sind individuell.“
Was ist nun die Lösung, wie können das wissenschaftliche Verständnis von Pflanzen und Tieren und der respektvolle Umgang mit der Natur trotz ihrer riesigen Diskrepanz vereint werden? Auf diese Frage hin kennt Frau Koechlin keinen „richtigen“ Weg. Aber sie erzählt von drei Projekten aus verschiedenen Regionen, in denen sie die Zukunft sieht:
Auf nordindischen Baumwollplantagen schwören Bauern und Bäuerinnen nun der Verwendung von Gentechnik-Saatgut ab. 20 Jahre lang wurden dort große Mengen der Ernten durch Insektenplagen zerstört, die gegen die Insektizide der Gentechnik-Firmen resistent waren. Nun möchte man „back to the roots“, zurück zu alten, einheimischen Baumwollsorten, denen die Schädlinge nicht schaden.
In Frankreich an der Loire wurde eine Bewegung einer neuen Landwirtschaft ins Leben gerufen: Junge Landwirtinnen und -wirte beackern winzige Höfe von nur 1,4 Hektar. Mit Permakultur und biologischer Landwirtschaft wollen sie ein funktionierendes Gegenbeispiel zu modernen Megabetriebe mit hunderten von Hektar aufzeigen.
In Südkorea besteht seit über 30 Jahren die größte Solidarische Landwirtschaft der Welt. Mehrere tausend Landwirte ernähren 600 000 Konsument*innen. Diese zahlen in einen Soli-Fond ein und helfen selbst auf den Feldern mit. Die Bäuerinnen können so die Lebensmittelpreise zusammen unabhängig vom freien Markt festlegen und erhalten garantiert 65 % der Einnahmen – anstatt 30 % und abnehmend, wie es in Deutschland und der Schweiz üblich ist. Diese enge Beziehung zwischen Erzeugerinnen und Konsumenten basiert auf einer klaren Vision: Nur Anbau von einheimischen Pflanzen, nur biologisch bearbeitet und ethisch vertretbare Methoden ( z.B. keine Enthörnung von Kühen).
In ihrem Buch steigt Florianne Koechlin noch viel weiter in die Thematik der Kommunikation von Natur und Mensch ein. Eines, so schloss sie ihren Vortrag, ziehe sich aber immer durch unser sich wandelndes Verständnis unserer Umwelt und unserer Nahrung: „Beziehungen, das zeigen diese Einblicke, sind der Boden alles Lebendigen. Darin liegt die Zukunft, auch jene der Landwirtschaft.“