Die Pflanze dieser Woche, die Triticale ist eine außergewöhnlich junge Getreideart. Sie ist bei weitem nicht so bekannt wie Weizen, Hafer oder Mais und hat einen auffallend künstlichen Namen. Das kommt nicht von ungefähr: Sie ist das Ergebnis komplizierter Züchtungsbemühungen.
Triticale war nie eine natürlich entstandene Art, die dann vom Menschen domestiziert wurde. Stattdessen ist sie eine bahnbrechende Erfindung des 19. Jahrhunderts: Triticale ist die Hybride zwischen Weizen (Triticum) und Roggen (Secale). Ihr Name ist also eine Kombination aus diesen beiden Gattungsnamen Triticum x Secale: Triticale.
Die Eltern: Weizen und Roggen
Jedes Getreide hat spezifische Eigenschaften. Ein Landwirt im 19. Jahrhundert hatte also die Qual der Wahl: Weizen war (und ist) unter guten Bedingungen ein lukratives Geschäft. Er liefert große Mengen hochqualitativer Körner und findet eine Vielzahl von Abnehmern.
Leider ist Weizen aber auch relativ empfindlich, jedenfalls verglichen mit dem robusteren Roggen. Roggen erreicht zwar auf guten Böden weniger Erträge, gedeiht aber auf minderwertigen Böden sehr viel besser als Weizen. Roggen ist ebenfalls robuster gegen klimatische Schwankungen, die den Weizen stärker beeinträchtigen. Durch diese Anspruchslosigkeit bedeutete Roggen ein geringeres Risiko, aber auch einen kleineren Gewinn.
Es liegt also der Gedanke nahe, durch gezieltes Kreuzen von Weizen und Roggen das perfekte Getreide herzustellen. Ein Getreide mit der Qualität und den Ertrag von Weizen, aber der Anspruchslosigkeit von Roggen – soweit der Traum.
Aber das ist etwas komplizierter als es klingt.
Triticale: der Getreidehybrid
Zunächst sind Weizen und Roggen nicht zwei Getreidesorten innerhalb einer Art oder zwei Getreidearten innerhalb einer Gattung. Es sind zwei verschiedene Gattungen.
Für eine erfolgreiche Kreuzung ist aber eine gute genetische Kompatibilität notwendig, die vor allem vom Verwandtschaftsgrad abhängig ist.
Andernfalls entstehen unfruchtbare Nachkommen (infertile Hybriden). Ein gutes Beispiel dafür sind Maultiere und –esel, infertile Hybriden von Pferd und Esel.
Ein langer und steiniger Weg
1875 wurde erstmals ein infertiler Hybrid zwischen Weizen und Roggen hergestellt, die ersten primären Triticale. Im Gegensatz zum Maultier hatten sie nur keinen praktischen Nutzen: Infertile Pflanzen bilden keine Samen aus. Die Samen von Getreide sind aber der Grund, warum man Getreide anbaut.
Trotz dieses Fehlschlags wurde weiter geforscht. 1888 gelang eine erneute Kreuzzüchtung, die tatsächlich einen fertilen Samen hervorbrachte. Diese Fertilität war allerdings zufällig und unwirtschaftlich.
Erst 1937 wurde ein weiterer Meilenstein gelegt, der Triticale zu einer echten Option für Landwirte werden ließ: die Colchicintechnik. Colchicin ist ein Stoff, der aus Herbstzeitlosen gewonnen wird. Dieser Stoff stört die Mitose und verdoppelt den Chromosomensatz künstlich. Dadurch werden die Hybriden fruchtbar und können vermehrt werden, ohne Weizen und Roggen erneut kreuzen zu müssen. Alle Triticalen, die durch Zucht Triticale x Triticale hergestellt werden, sind sekundäre Triticalen.
Diese erneute Kreuzung ist auch unbedingt notwendig, um Triticale rentabel zu machen. Der Traum vom perfekten Getreide ist mit der Colchicintechnik nämlich noch nicht erreicht. Die Hybriden haben eine zufällige Mischung der Eigenschaften von Weizen und Roggen. Durch künstliche Selektion und gezielte Zucht werden dann Sorten geschaffen, deren Eigenschaften einigermaßen planbar sind.
Triticale wird heute viel in Mittel- und Osteuropa, v.a. in Polen, angebaut, weil ihre Ansprüche an Boden und Klima ähnlich gering sind wie die des Roggen. Zum Ärgernis vieler Landwirte hat die Triticale den Hang zum Auswuchs ebenfalls vom Roggen geerbt. Beim Auswuchs wird die Stärke im Korn in Zucker umgewandelt, was die Gefahr von einem Pilzbefall steigert. Zwar dient Triticale an erster Stelle als Futtermittel und dort verändert der Auswuchs den Ertrag nicht gravierend, es wir aber trotzdem versucht, diese Eigenschaft herauszuzüchten.
Doch der Erfolg des Hybriden ist begrenzt: Auf guten Böden liegen die Erträge unter denen von Weizen und Roggen. Das spiegelt sich in seiner Anbaufläche wider. Weltweit wird Triticale nur auf 0,25% der Ackerfläche angebaut, das entspricht 5m² auf dem Weltacker.