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Ackertalk: Saatgut (mit Saatguttauschbörse) | Rückblick

Foto: Virginia Boye

Trotz Eiseskälte kamen vergangenen Donnerstag viele Saatgut-Interessierte zu einem kurzweiligen Infoabend zum Thema „Saatgut für Morgen und von Gestern“.

Nach einer kurzen Führung zum neuen Weltacker-Standort im Botanischen Volkspark Blankenfelde-Pankowmit unserem Bio-Gärtner Gerd, ging es im Gewächshaus direkt los mit Oliver Willing (Geschäftsführer von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft). Oliver kam extra aus Bochum, um über die Notwendigkeit zur Unterstützung der ökologischen Saatgut-Züchtung in Zeiten des Artensterbens auf unseren Äckern zu berichten.

Er nannte diese Entwicklungen in der Landwirtschaft das große Hintergrund-Rauschen und meinte damit nicht nur das Insektensterben, sondern dass auch viele Vogelarten Federn lassen müssen.  Ebenso ist ein dramatischer Rückgang der Ackerkräuter zu verzeichnen, die auf magere Flure angewiesen sind. Sie sind Nahrungsgrundlage für Insekten und diese sind es wiederum für Vögel. Somit sind die Ackerkräuter wichtig für das ganze Ökosystem. Zu diesen Entwicklungen gehört auch das Höfesterben, was sich dadurch ausdrückt, dass in Deutschland drei bis fünf Betriebe pro Tag schließen.

Eine Insektenart, die ihre Nahrungsquelle verloren hat, Quelle: Zukunftsstiftung Landwirtschaft

Für den ökologischen Ertragsanbau fehlt es oftmals an geeigneten Sorten. So müssen selbst Biobetriebe bei Broccoli und Blumenkohl auf Hybrid-Saatgut zurückgreifen, und machen sich so abhängig von konzentrierten Konzernstrukturen. Er bemerkte, dass in den 70er Jahren nicht ein Saatgutproduzent mehr als 1 Prozent Marktanteil hatte und aktuell drei Konzerne 60 Prozent des Welthandels beim Saatgut beherrschen.

Doch wir sollten den Konzernen nicht das Feld überlassen und den Ausbau einer eigenständigen Züchtung vorantreiben. Die ist beispielsweise bei Möhren sehr aufwendig. Da lohnt es sich für viele Bauern kaum, eigenes Saatgut zu produzieren. Zukünftig werden jedoch regional angepasste Sorten gebraucht, um die Ernährung nachhaltig zu sichern.

Züchtungsziel Biodiversität, Quelle: zukunftsstiftung Landwirtschaft

Herbert Lohner (Referat Naturschutz beim BUND Berlin und Vorsitzender des VERN e.V.) berichtete ergänzend von der historischen Entwicklung des Saatguthandels in Europa und der Welt. Er schwärmte von Getreideschönheiten und bewundert das Engagement in russischen Genbanken. Auch berichtete er von verschwundenen und wiederentdeckten, traditionellen und wieder modern gewordenen Ackerfrüchten. Er machte deutlich, dass viele alte Sorten großes Potenzial haben, um auf verändernde Umweltbedingungen reagieren zu können. Umso wichtiger ist die Erhaltung und Rekultivierung alter Nutzpflanzen.

Herbert Lohner, Foto: Philipp Gräbnitz

So inspiriert wurde im Anschluss an den fachlichen Input die Saatgut-Börse gut angenommen. Bei leckerem Bäckerbrot und Kürbiskern-Aufstrich wurde weiter diskutiert sowie Ideen und Saatgut getauscht.

Die Kolleginnen vom Saatgut-Rad, der mobilen Saatgut-Börse Berlins, sind den ganzen Weg aus Kreuzberg zum Botanischen Volkspark geradelt und hatten ihr Lastenrad voll mit Schätzen in kleinen Dosen gepackt.

Der Vern e.V. gesellte sich ebenfalls mit einer vielfältigen Auswahl seines Saatgut-Sortiments alter Nutzpflanzen dazu. Zudem wurde jede Menge Soja, Paprika und Blühpflanzen vom Weltacker verteilt und das DemoNet Erbse/Bohne verschenkte Grüne Körnererbsen. Am Ende des Abends ging fast alle mit ein paar Tütchen Gartenglück nach Hause für die bald startende Acker-Saison.