Gutes Essen fängt mit gutem Saatgut an. Viele Menschen interessieren sich für die Thematik, so auch die fast 80 Besucher*innen unserer Saatgutbörse im Tropenhaus des Botanischen Volksparks in Pankow. Es war eine wunderschöne und motivierende Veranstaltung. Wir freuen uns immer wieder, so viele Menschen mit unserer Arbeit anzusprechen. Hier ein paar Einblicke in die Themen, die rege diskutiert wurden.
Hybridsaatgut? Kommt mir nicht auf den Acker!
Es dauerte nicht lange und die Hybridzüchtung entwickelte sich zu einem lukrativen Geschäftsmodell. Nicht nur Ertrag und Konformität sind gute Argumente der Händler, sondern auch der quasi eingebaute technische Sortenschutz. Dieser sichert Züchtern regelmäßig Einkommen und zielt auf Erreichung immer größerer Marktanteile ab. Mit immer fragwürdiger werdenden Methoden hergestellt, hauptsächlich im Labor, führt er letztendlich zu einer immer stärkeren Monopolbildung.
Verlust der Vielfalt
Die Landwirtschaft gerät mehr und mehr in Abhängigkeit von wenigen Saatgutkonzernen. Die genetische Vielfalt, eine wesentliche Grundlage der Stabilität des Ökosystems Acker und damit der Ernährungssicherheit, wird immer weiter eingeschränkt. Das gleiche gilt für die Gentechnik. Die Welternährungsorganisation schätzt, dass bereits 75% der Kulturpflanzensorten ausgestorben sind. Der Gipfel dieser Entwicklung sind Pflanzen, die keine fruchtbaren Samen mehr bilden können.
Marktkonzentration
Noch in den achtziger Jahren gab es weltweit 7000 Saatgutfirmen von denen keine einen Marktanteil über 1% hatte, 2004 hatten 10 Konzerne 50% des Saatgutmarktes unter ihrer Kontrolle, 2011 waren es noch 3 Konzerne. Heute kontrollieren dieselben 3 Konzerne bereits 70 – 75% des Marktes.
Die gute Nachricht ist: wahrscheinlich werden immer noch 80% des Saatgutes von den Bauern selbst erzeugt und nicht auf dem globalen Saatgutmarkt gehandelt. Zahlreiche Initiativen beschäftigen sich mit dem Erhalt alter und neuer samenfester Sorten und mit der Züchtung von Sorten für die Biolandwirtschaft. Diese Saatgutarbeit wird sehr oft von einer gemeinnützigen Basis getragen, die Sorten sind für jede*n zugänglich und frei vermehrbar.
Was heißt eigentlich „samenfest“?
Hier noch mal kurz zu Erläuterung: samenfeste Sorten geben ihre Sorteneigenschaften direkt an ihre Nachkommen weiter, Hybridsorten entstehen aus der Kreuzung von Inzuchtlinien, die nur der Züchter besitzt. Wenn man die Samen von Hybridpflanzen wieder aussät, spalten sich die Sorteneigenschaften wieder auf und man erhält nur selten Pflanzen mit den gleichen Eigenschaften wie die Elterngeneration.
Die Kreuzung zweier Sorten ist ursprünglich der Anfang einer neuen Sortenentwicklung, die Nachkommen der neuen Kreuzung werden über mehrere Generationen selektiert, damit sie am Ende die gewünschten Sorteneigenschaften an die nächste Generation weitergeben. In der modernen Hybridzüchtung ist die Kreuzung das Ende der Züchtung.
Züchtung für Ernährungsqualität- und Sicherheit
In der biologischen Züchtungsarbeit wird die Pflanze in ihren Lebenszusammenhängen als Organismus im Gesamtorganismus Erde und Ackerlandschaft betrachtet. Die Züchtung findet auf dem Acker und im Garten statt, wo sie hingehört, und nicht im Labor. Die rein mechanische Betrachtung lebendiger Systeme ist der allergrößte Mangel der modernen Sicht auf die Landwirtschaft.
Wichtige Ziele der biologischen Sortenentwicklung sind Geschmack und Ernährungsqualität, Pflanzengesundheit und Unabhängigkeit vom Input an Kunstdünger und chemischen Kampfstoffen. Die Sorten sollen samenfest und damit frei vermehrbar sein, weil Saatgut Kulturgut ist, das allen Menschen gehört!
Die Alternativen sind zahlreich
Es gibt viele Betriebe und Vereine, die sich mit der Erhaltung und Neuzüchtung alter und neuer samenfester Sorten beschäftigen. Der Hauptarbeitsschwerpunkt unserer Zukunftsstiftung Landwirtschaft, die auch Träger des Weltackerprojektes ist, ist die Förderung der Saatgutzüchtung für die Biolandwirtschaft. Viele neue Sorten, speziell für die Bedürfnisse des Biolandbaus entwickelt, wurden aus dem Saatgutfonds unserer Stiftung gefördert. Ganz wesentlich dabei ist, dass die Züchtung auf eine gemeinnützige Basis gestellt wird: die Züchter werden aus dem Saatgutfond für ihre Arbeit bezahlt, Eigentümer neu zugelassener Sorten ist ein gemeinnütziger Verein.
Mehr Informationen dazu findet ihr hier: www.zukunftsstiftung-landwirtschaft.de, www.kultursaat.org
Bei unser großen SOS-Saatgut-Börse waren folgende Initiativen und Saatgut-Spezialisten zu Gast:
Svenja und Hannah fuhren wieder mit dem Saatgutrad bis zu uns nach Pankow und beantworteten allerlei Fragen rund um die Gemüsevielfalt, die sie dabeihatten. Großen Respekt für diese Initiative der Prinzessinnengärten
Gesine von der Aktion Bantam informierte über Anbau des Zuckermaises, der Aktion gegen Gentechnik auf unseren Äckern und Tellern bis hin zum Bildungsprogramm Mit Bantam durch Jahr und verteilte natürlich reichlich Saatgut an alle
Die Schulfarm Insel Scharfenberg im Tegeler See verfügt über eine sehr beeindruckende Auswahl an eigens vermehrtem Saatgut, welche sie gegen Spende abgab oder gern tauschte. Dort wären wir bestimmt auch gern zur Schule gegangen.
Der Saatgut- und Permakulturgarten Alt Rosenthal hat sich auf die Erhaltung und Vermehrung alter Sorten spezialisiert, dort gibt es auch Saatgut- und Permakulturkurse für alle die Lust aufs Selbermachen haben.
Der Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen bietet neben einem riesigen Sortiment an seltenen Nutzpflanzen auch Saatgutkurse an.
Bei der Saatgut AG des Gemeinschaftsgartens Himmelbeet, und der Grünen Bibliothek wachsenlassen konnten große und kleine Saatgut-Experten beim Rätsel Saatgut gewinnen. Sie machen verschiedene Veranstaltungen zum Thema Saatgut und fördert den Saatguttausch unter Gärtner*innen.
Die „Schnittstelle“, für Landwirtschaft, Biodiversität, Saatgut, solidarischer Ökonomie kam mit der Saatgut-Kiste der Keimzelle und Herby brachte noch jede Menge leckerer Bio-Produkte mit.
Der 2000m²-Weltacker war Gastgeber und am Stand konnten man sein Saatgut-Wissen testen und die freie Saatgut-Börse durchforsten. Das haben auch viele Besucher getan und mit neuen tollen Sorten bestückt.
Wir finden es war eine rundum gelungene Veranstaltung und alle sind mit Tütchen voller Gartenglück nach Hause gegangen. Danke an alle, die dabei waren und besonders an das Weltacker-Team!
P.S.: Vielen Dank für die leckere Brotspende unserer Lieblingsbäcker von Märkisch Landbrot.
Und wenn euch das noch nicht reicht, könnt ihr euer Saatgut z.B. auch hier beziehen:
und sicherlich noch ein paar mehr….
Wie Ihr seht, gibt es keinen Grund, das Saatgut für die neue Saison im Baumarkt zu kaufen. Auf unserem Weltacker wollen wir die eigene Saatgutvermehrung weiter ausbauen, wenn die Gefahr von Auskreuzungen verschiedener Sorten nicht zu groß ist – aber das ist schon wieder ein anderes Thema.
Wenn ihr mehr zu diesem und anderen Themen erfahren wollt, dann besucht uns auf unserem Weltacker im Botanischen Volkspark Berlin-Pankow, zum Beispiel bei der ersten Ackerführung diesen Jahres am 10. März. Auch um diese Jahreszeit hat der Acker viele spannende Themen zu bieten.
Bleibt also schön neugierig!
Herzliche Grüße an alle Freunde unseres Weltackers
Euer Gerd
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