Gemüse und Wurzelfrüchte scheinen, mit jeweils nur rund 80 m² von den Zweitausend, die Stiefkinder der globalen Ernährung zu sein. Dabei liegen gerade in diesen beiden Kulturen die größten Reserven für Ernährungssicherheit und Gesundheit. Neben den sechs Gemüsekulturen die mit mehr als 2 Millionen Hektar weltweit angebaut werden und die wir auf unserem Weltacker zeigen, gibt es in der FAO Statistik eine lange Liste an mehr oder weniger bekannten Gemüsearten, die immerhin noch extra erfasst werden. Maniokblätter mit einer Anbaufläche von 7700 Hektar ist die kleinste aller Gemüsekulturen die in der FAO Statistik auftauchen, exotische Gewächse wie Okra und sonstige Melonen (außer Wassermelonen) werden sogar auf jeweils rund 1,1 Millionen Hektar angebaut. Paprika und Auberginen wachsen auf jeweils 1,8 Millionen Hektar und Spargel und Knoblauch immerhin noch auf jeweils rund 1,4 Millionen. Der Salat ist mit den Lactuca Arten (das sind die bekannten Kopf-,Eis- und Eichblattsalate) und dem Chicoreé auf einer Anbaufläche von insgesamt 1,1 Millionen Hektar vertreten.
Ein ganzes Lexikon voller Gemüse
Neben diesen einzeln aufgeführten Kulturen gibt es noch die sonstigen Gemüse, die immerhin fast 20 Millionen Hektar weltweit einnehmen und hinter denen sich vermutlich eine sehr große Vielfalt verbirgt. Ich denke da sofort an die die vielen Arten an Blattgemüse und Schnittsalaten die auch in unseren Breiten gedeihen: Löwenzahn, Zichorien, Brunnenkresse, Barbarakraut, Löffelkraut, Feldsalat, Rapunzelglockenblume, Kapuzinerkresse, Asiasalate, Gartenkresse, Wild- und Salatrauke, Mangold und Gartenmelde, aber auch an die vielen leckeren Küchenkräuter und Wurzelgemüse wie Haferwurzel, Pastinaken oder Wurzelpetersilie. Ein ganzes Lexikon könnte man füllen um diese und andere einheimische Gemüsearten zu beschreiben, von dem was in anderen Teilen der Welt sonst noch angebaut wird, ahnen wir nichts hier in Europa.
Einheimisch in Mitteleuropa?
Die wenigsten unserer Nahrungspflanzen sind wirklich einheimisch in Mitteleuropa, die meisten wurden vor längerer oder kürzerer Zeit hier eingebürgert. Zu den ursprünglich mitteleuropäischen Arten gehören zum Beispiel die Pastinake, die Zichoriensalate und der Kohl, von denen es hier auch noch Wildformen gibt. Die als grüne Bohne wohlbekannte Gartenbohne ist erst im sechzehnten Jahrhundert aus Amerika zu uns gekommen, vorher wurde hierzulande, schon seit der Steinzeit, nur die Ackerbohne angebaut, die aber auch aus dem vorderen Orient nach Mitteleuropa gekommen ist. Der Spinat wurde sogar erst im siebzehnten Jahrhundert bei uns eingeführt und hat die bis dahin als Blattgemüse gegessene Gartenmelde, die zur gleichen Familie wie der Spinat gehört, verdrängt. Eine andere Neuigkeit auf unserem Speiseplan sind die Kürbisse. Sie wurden auch aus Amerika bei uns eingeführt. Sie erfreuen sich aber erst größerer Beliebtheit seit sich herumgesprochen hat, dass man aus ihnen auch etwas anderes machen kann als süßsaures Kürbiskompott.
Karotte, Malve, Radieschen und Rettich
Die Karotte wie wir sie heute kennen wurde, obwohl sie eine ursprünglich europäische Pflanzenart ist, erst im 16. oder 17. Jahrhundert in den Niederlanden gezüchtet. Seitdem hat sie sich rasant weltweit verbreitet. Eine einheimische Gemüsepflanze, die vermutlich auch schon während der letzten Eiszeit gesammelt wurde, ist die Malve. Heute fast unbekannt und im globalen Anbau wahrscheinlich ohne Bedeutung, wurden in vergangenen Jahrhunderten sowohl die Blätter als auch die unreifen Samen als Gemüse gegessen. Die Hohe Malve (Malva sylvestris), die früher auch als Faserpflanze genutzt wurde, findet man heute noch gelegentlich in Gründüngungs- und Futterpflanzenmischungen. Das wohlbekannte Radieschen und der Rettich sollen ursprünglich aus Nordchina stammen, sie haben sich aber schon in der Antike über die gesamte Alte Welt verbreitet, so dass der Ursprung kaum noch feststellbar ist. Es wurden aber nicht nur die Wurzeln als Nahrung geerntet, sondern auch die Samen zur Ölgewinnung. Radieschen, Ölrettich und Speiserettich sind nur verschiedene Sorten derselben Art (Raphanus sativus).
Essbare Blüten
Richtig interessant wird es, wenn man die Fülle an essbaren Blüten betrachtet: Phlox, Dahlien, Taglilie, Ringelblume, Kornblume, Kapuzinerkresse, Rucolablüten und die Blüten der Winterkresse sind nur ein kleiner Ausschnitt. Auch das Basilikum hat das meiste Aroma wenn die Blüte sich entfaltet und die Blüten des Schnittlauchs sind das Beste an dieser Pflanze, während die Petersilie mit Beginn der Blüte ungenießbar wird.
Spätestens hier wird deutlich, dass Gemüse mehr ist als die Beilage zum Schweinebraten. Die Vielfalt von Gemüsearten und Sorten ist ein großes Geschenk an Lebensqualität.
Autor: Gerd Carlsson