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Wawilows Schatz: Der älteste Saatgutspeicher der Welt

Nikolai_World Telegram staff photographer - Library of Congress_Wikipedia

Nikolai Iwanowitsch Wawilow via Wiki Commons \ World Telegram staff phtographer

Wo kommt sie her, unsere Albinse? Aus dem Laden? Vom Feld? Vom Bauern? Fast. Denn obwohl wir die Linse von dem Schwäbischen Alb Bauern Woldemar Mammel bekommen haben, hat auch Woldemar Mammel die ursprünglich so häufige, dann aber durch Bequemlichkeit und Konsum Möglichkeiten vertriebene Linse nicht einfach aus seinem Garten geholt. Nachdem die Albinse schon für ausgestorben erklärt wurde, wurde Mammel nach langer Suche doch noch fündig. In Russland liegt das Saatgut die ganze Zeit und schläft in seinem perfekt angepassten Lager, auf einem Regalbrett in einem scheinbar sehr runtergekommenen Haus. Aber was macht sie da? Und wie kam sie von Russland auf unseren Acker zurück? Fast wie ein trauriges Märchen klingt die viel zu unbekannte Geschichte der Albinse und vieler weiterer schlafender Samen.

alblinse

Die Albinse auf unserem kleinen 2000 m² Weltacker in Berlin

Es ist kalt im Wawilow Institut. Einige Fenster schließen nicht richtig und man hört den Wind um das alte Haus pfeifen, unter einem Tisch steht ein kleiner, elektrischer Heizer. Auch von Außen macht das Haus einem Gespensterhaus alle Ehre: Groß, alt und an einigen Stellen beginnt der Verfall. Und doch beinhaltet dieses Haus, in dem eine Handvoll Wissenschaftler und Biologen nicht für Geld, aber aus Überzeugung arbeiten, einen der größten – wenn nicht sogar den größten – Schatz der Welt.

In tausenden Regalen, Schubfächern, Tütchen und Kammern lagert mit über 330.000 Pflanzen (darunter allein 1000 Erdbeer- und 600 Apfelsorten) eines der Größten und vor allem ältesten Samenvorkommen der Erde. Fast 90% des Bestandes sind in keinem anderen Saatgutspeicher mehr zu finden und oft auch in der Natur bereits ausgestorben.

Von alten, längst vergessenen Hülsenfrüchten wie unserer Albinse, bis hin zu erst kürzlich entdeckten Samen gibt es hier fast alles, was die Erde aus ihrem Schoß hervorgebracht hat. Hier wird das Saatgut mit Röntgenlicht auf Risse untersucht, ein bis zwei Monate getrocknet und dann in Spezialtüten aus Aluminium und Polyethylen verpackt um anschließend zum Teil bei minus zehn Grad Celsius eingelagert zu werden.

Mitarbeiterin_mit_Saatgut_Wikimedia Commons

Institutsmitarbeiterin mit dem kostbaren Saatgut via Wiki Commons

Das klingt nach Reichtum, der „Wawilows Schatz“ wurde von der Weltbank auf 8 Billionen Dollar geschätzt. Doch er wirft keinen Profit ab, stößt oft auf Gegner, ist wegen seiner Unabhängigkeit schon längst einmalig geworden und immer in Gefahr einfach in Vergessenheit zu geraten.

Erst vor Kurzem schien das Schicksal des Instituts besiegelt. Mit seiner ruhigen Lage, in so ländlichem Raum und doch nahe an der Metropole St. Petersburg sind die Äcker und Felder des Institutes begehrtes Baugrundstück. Kurz nach Weihnachten 2009 übergab das Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung ohne Vorwarnung ein Fünftel der mehrere hundert Hektar umfassenden Institutsfläche an eine Petersburger Immobiliengesellschaft. Innerhalb von drei Monaten sollte das Institut mit all seinen Erdbeeren, Johannisbeeren und Apfelbäumen umziehen… Eine unmögliche Aufgabe und eine viel zu große Gefahr für die Pflanzen. Das Land und damit die Möglichkeit des regelmäßigen Anbaus zur Regeneration des Saatgutes waren schon fast verkauft als Wissenschaftler aus der ganzen Welt Protestschreiben an den Kremel schickten und das Institut ab 2012 vorerst retteten.

Dabei blickt das Institut auf eine lange, oft traurige aber immer kämpferische Geschichte zurück. Als Sohn eines wohlhabenden Textilfabrikanten wurde Nikolai Iwanowitsch Wawilow am 25. November 1887 in Moskau geboren. Nach einer guten Schulbildung war es ihm, dank des Einkommens seines Vaters möglich, etliche Reisen durch Europa und den Rest der Welt zu unternehmen. 1916 ging Nikolai Wawilow zum ersten Mal auf Expedition. 20 Jahre später hatten ihn 180 Forschungsreisen in 64 verschiedene Länder und durch 5 Kontinente geführt. Auf seinen Exkursionen sammelte Nikolai Wawilow eine Vielzahl an Saatgut und lagerte dieses ein. Auch während seines Studiums von 1906 bis 1910 am Landwirtschaftlichen Institut in Moskau und seiner Laufzeit als Professor für Ackerbau und Genetik an der Universität in Saratow unternahm er immer wieder weite Reisen mit demselben Zweck: er vervielfältigte immer ausführlicher sein damals schon großes Saatgutvorkommen. Nach einer Akademikerlaufbahn war er von 1928-1935 Professor an der Leninakademie für Agrarwissenschaften und von 1930 bis 1940 zugleich Direktor des Instituts für Genetik der Akademie der Wissenschaften der UdSSR in Moskau, wo er die Theorie von den geographischen Genzentren der Kulturpflanzen begründete und sicherlich auch mithilfe seiner Forschungsreisen das Gesetz der homologen Reihen entdeckte: Es ermöglichte aufgrund bekannter Zusammenhänge das Vorhandensein noch unbekannter Pflanzenformen vorauszusagen. Diese Erkenntnis ist bis heute ein großer Fortschritt für die Biologie.

Sein, für die Menschheit so wichtiges Tun ging gut, bis Stalin 1929 ein unmögliches Forschungsprojekt von ihm verlangte. Wie in Stalins Kommunismus alle Menschen bei gleichen Bedingungen gleich sein sollten, so wollte Stalin auch seine Pflanzen züchten. Saatgut, das bei optimalen Bedingungen immer gleich gut wächst und unverwüstlich sein sollte. Die stalinistische Gesellschaft arbeitete an der Abschaffung der Klassenunterschiede, in allen Bereichen, sogar in der Biologie. Da passte die Lehre der genetischen Vererbung von Pflanzeneigenschaften nicht ins Bild.

Nachdem Wawilow die Möglichkeit dieser Aussage leugnete meldete sich ein ehemaliger Schüler Wawilows, Trofim Lyssenko. Er könne den Weizen in Sibirien durch Erziehung und veränderte Umweltbedingungen zu mehreren Jahresernten treiben. Er bestätigte Stalin seine wahnwitzigen Vorstellungen und unterlegte diese mit unzähligen Experimenten, Forschungen und Aussagen von denen wir heute wissen, dass sie fast ausschließlich auf Hochstapelei beruhten und schlicht weg falsch waren. Aber mit Trofims Auftauchen fiel Nikolai Wawilow in Ungnade. Trotz der insgesamt 400 Verhöre weigerte sich Wawilow diesen Aberglauben anzuerkennen und so lauteten die Anklagepunkte gegen Wawilow: Spionage, Sabotage, Volksfeindschaft und Konterrevolution. 1940 wurde er zu 20 Jahren Haft verurteilt und starb am 26. Januar 1943 im Gefängnis von Saratow einen grausamen Hungertod.

Doch das Wawilow Institut und die Saatgutbank lebten weiter, da es immer wieder ehrbare Menschen gab die die dringende Notwendigkeit eines solchen Vorhabens erkannten.
Diese Menschen waren es auch, die das Institut im zweiten Weltkrieg mit ihrem Leben verteidigten. Als die Lebensmittel Armut zu groß wurde, mussten rund um die Uhr mindestens 2 Mitarbeiter Wache halten, da das Institut zu einem Haus voller Nahrung geworden war. Je kälter es wurde, desto mehr galt die Sorge vor allem den Kartoffeln und dem ähnlich kälteempfindlichen Saatgut. Was brennbar war, wurde verbrannt ungeachtet dessen Wert, einzig um das Saatgut vor dem Frost zu schützen. Unter dem deutschen Artilleriebeschuss gruben die Forscher die Kartoffeln aus dem Versuchsfeld von Pawlowsk und retteten so über 6000 Sorten. Wie sehr die Mitarbeiter von der Notwendigkeit ihres Handelns überzeugt waren stellte sich in dem wohl schlimmsten Winter des 2. Weltkrieges heraus, als man erst den Leiter der gut bestückten Erdnussabteilung und später den Kurator der Abteilung für Reis am Morgen einer -40C kalten Nacht fand. Sie waren verhungert, umgeben von tausenden Päckchen nicht angerührtem Reis und einem großen Sortiment Erdnüssen.

Und was kam dann? Eine Auszeichnung? Eine finanzielle Hilfe? Ehre für die Menschen, die ihr Leben verloren und aufs Spiel gesetzt hatten? Wahrscheinlich nicht. Stattdessen bewiesen sie auch den bis dahin blind gegen die Notwendigkeit eines verlässlichen Saatgutspeichers gebliebenen, wie überlebenswichtig dieser ist. Mitten im kalten Krieg sanden sie 1987 völlig unparteiisch den USA Saatgut. In den USA hatte eine Fadenwurm-Plage sämtliche Soja Ernten vernichtet und das Wawilow Institut beherbergte die einzige Soja-Sorte mit entsprechenden Resistenzgen. Und auch als in Äthiopien in den postkolonialen Wirren die Getreidevorräte vernichtet wurden, schickten sie mehrere Kartons mit nordafrikanischen Getreidesamen und retteten damit vielen Menschen das Leben. Doch auch danach erblühte das Institut nicht in Dankbarkeit und Reichtum. Stattdessen haben die USA ihren eigenen, vollkommen privatisierten Saatgutbunker angelegt. In ewigem Eis, für die Welt völlig unzugänglich.
Aber das Wawilow Institut macht bis heute weiter. Mit Mitarbeitern die im Winter bei der Saatgutauslese frieren und im Sommer auf den Äckern schwitzen und das grade mal für maximal 250€ im Monat. Nicht einmal die direkten Nachbarn wissen ihre Arbeit zu schätzen, immer wieder werden Kartoffeln und andere Feldfrüchte auf den Äckern geklaut, die eigentlich zur Regenerierung des alternden Saatgutes angebaut wurden und später wieder für zukünftige Katastrophen eingelagert werden sollten.

alblinse 3.1

Aus dem uns zur Verfügung gestellten Albinsen-Saatgut haben wir bereits neues für das kommende Anbaujahr gewonnen.

Und trotz allem sendet das Institut jedem der fragt, umsonst Saatgut zu. Denn natürlich wissen der Direktor Nikolai Zjubenko und die ca. 900 Mitarbeiter in den insgesamt 11 Außenstationen, wie wichtig es ist die natürliche Saatenvielfalt zu erhalten und immer wieder anzubauen.
So scheinen der Geist und die Idee von Nikolai Wawilow ohne Eigennutz oder irgendeinem anderen Grund außer der Idee und der Notwendigkeit der Sache selbst, immer weiterzuleben. Doch oft trügt die Gewissheit und wer weiß, wie lange solche Menschen noch zu finden sind.

Quellen und weiterführende Links:

http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/f-william-engdahl/der-doomsday-seed-vault-der-nato-in-der-arktik-n.html
http://de.wikipedia.org/wiki/Bombenanschlag_auf_das_World_Trade_Center_1993https://mediachecker.wordpress.com/2013/11/10/who-put-bill-gates-in-charge-of-theworld/
http://www.impfkritik.de/pressespiegel/2012082703.html
http://www.sauberer-himmel.de/2012/03/22/chemtrails-durre-und-gen-mais/
http://www.sauberer-himmel.de/technokrat-bill-gates-investiert-in-projekte-fur-die-ausbringung-von-kunstlichen-wolken/
http://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Teilnehmern_an_Bilderberg-Konferenzen
http://www.sueddeutsche.de/wissen/wawilow-institut-in-st-petersburg-die-acht-billionen-dollar-bank-1.2040929-2
http://de.wikipedia.org/wiki/Nikolai_Iwanowitsch_Wawilow
http://www.geo.de/blog/geo/mittendurch-statt-druberweg/randnotizen/pavlovsk
http://de.wikipedia.org/wiki/Trofim_Denissowitsch_Lyssenko

http://de.wikipedia.org/wiki/Lyssenkoismus#Lyssenkos_Aufstieg
http://www.exilarchiv.de/DE/index.php?option=com_content&view=article&id=3792%3Awawilow-nikolai-iwanowitsch&catid=24&lang=de